Recht auf Reparatur
5. März 2021Equal Pay Day
17. März 2021Kodieren für’s Klima
Smart, aber emissionsstark
Internet und Digitalisierung begleiten und vereinfachen unseren Alltag und unsere Kommunikation, stehen für Effizienz und Entmaterialisierung. Eine Suchanfrage bei Google, eine E-Mail lesen oder auch ein Video ansehen, Daten in einer Cloud speichern – alles scheint schnell und einfach, führt aber zu einem weltweit immer höheren Stromverbrauch. Denn die eigentlichen Stromfresser sind nicht die Endgeräte der Nutzer*innen, sondern die Rechenzentren. Mit 13,2 Mrd. kWh verbrauchten Server und Rechenzentren in Deutschland 2017 in etwa so viel Strom wie ganz Berlin.
Rechenzentren und Server
Das Internet und der scheinbar entmaterialisierte Datenverkehr basieren auf einer physischen Infrastruktur aus Servern, Rechenzentren, Übertragungstechnologie und entsprechenden Geräten. Jede Online-Nutzanfrage setzt eine gewaltige Datenverarbeitung in Gang, für die in den Rechenzentren eine enorme Menge elektrische Energie aufgewendet wird. Die Server erhitzen sich und müssen gekühlt und belüftet werden – hier landen wiederum 25 % des Stromverbrauchs. Die Abwärme verpufft meist ungenutzt.
CO2-Emissionen des Internets im Vergleich
Der Betrieb des Internets (Server) und Internetfähiger Geräte (Smartphones, PCs etc.) in Deutschland produziert jährlich die gleichen CO2-Emissionen wie der innerdeutsche Flugverkehr: 33 Millionen Tonnen CO2. (Zahlen vom SWR). Weltweit sieht es genau so aus: Der Anteil digitaler Technologien an den globalen CO2-Emissionen stieg zwischen 2013 und 2018 von 2,5 % auf 3,7 %. Der Anteil der Luftfahrtindustrie am CO2-Ausstoß betrug im gleichen Zeitraum 2,5 % (Zahlen von The Shift Project). Mit Video-Streaming oder Google-Suchanfragen wird schnell so viel CO2 wie mit einem Kilometer Autofahrt abgegeben.
Kodieren fürs Klima
Wie groß ist also der CO2-Fußabdruck des virtuellen Raums? Sollten wir unsere digitalen Aktivitäten in mehr als nur Bits, Bytes, Shares und Likes messen, sondern auch in Emissionen und Ethik? Mit cleveren Codes, ressourcenschonendem Webdesign und Wärme liefernden Rechenzentren kann es einen Aufbruch in ein klimafreundlicheres Internet geben!
Effiziente Websites
Whole Grain Digital
Whole Grain Digital ist eine WordPress-Agentur aus London, die nicht nur für öko-faire Unternehmen und gemeinnützige NGOs und Initiativen Webanwendungen erstellt, sondern auch darauf spezialisiert ist, Websites energieeffizient zu erstellen. Es gelang ihnen, die neue Website des Putzmittelherstellers ECOVER mit einem um 80 % geringeren Datenvolumen neu zu gestalten. Engagiert gibt die Agentur ihr Wissen weiter: Für energiesparende Websites gibt sie Tipps an Designer*innen und Website-Ersteller*innen. Der Website Carbon Calculator analysiert den CO2-Verbrauch angefragter Seiten.
Greener WP/Christian Neumann
Greener WP ermöglicht WordPress-Nutzer*innen ohne tiefere technische Vorkenntnisse, die eigene Website so zu optimieren, dass sie weniger Energie verbraucht und weniger CO2- Emissionen verursacht. Ein Haupt-Plugin stellt verständliche Optimierungsvorschläge vor und verweist zur Umsetzung auf Plugins und Themes. Mögliche Optimierungen wären z. B. die Reduzierung von Bildergrößen oder das Ersetzen von Webschriftarten durch Systemschriftarten. Dies führt zugleich zu schnelleren Ladenzeiten und einem besseren Page-Ranking. Die optimierte WordPress-Website ließe sich auch auf einem solarbetriebenen Einplatinen-Computer betreiben. Website-Besucher*innen mit schwacher Hardware und schwachem Netzwerk haben leichteren Zugang zu den Seiten.
Prototype Fund
Der Prototype Fund der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. fördert Programmierer*innen bei der Entwicklung von Public Interest Tech mit einer Anschubfinanzierung, Vernetzung und Beratung. Die geförderten Projekte umfassen eine große Bandbreite; Es geht um starke Zivilgesellschaft, Diversity, Open Source oder die Bekämpfung von Klimawandel und Artensterben. Die Handlungsfelder sind Civic Tech (Digitale Tools für Bürger*innen), Data Literacy (Nutzung und Analyse von Daten), Datensicherheit und Software-Infrastruktur. So werden Augenzeugenberichte aus Konfliktgebieten veröffentlicht, Emissionsdaten einem breiten Publikum zugänglich gemacht, Speaker*innen auf die Panels der Welt gebracht, oder Stimmtrainings für trans* Menschen angeboten. Alle Online-Tools und innovativen Technologien müssen im öffentlichen Interesse als Open-Source-Projekt zugänglich sein und anpassbar bleiben. So bleibt Technologie ein Gemeingut, Bürokratie wird reduziert, das Lernen von anderen gefördert und Communities werden aufgebaut und gestärkt.
Server, Wärme & Erneuerbare: Ein starkes Team
In Deutschland existieren ca. 50.000 Rechenzentren. Sie benötigen enorme Mengen an Energie. Zugleich produzieren sie sehr viel Hitze, so dass die Server aufwendig gekühlt werden müssen. Ihr Betrieb ist eine enorme CO2-Quelle. Um Rechenzentren nachhaltiger zu betreiben, müssen diese mit Ökostrom betrieben werden. Die Abwärme muss genutzt werden, indem sie z. B. in das regionale Fernwärmenetz eingespeist wird und Haushalte beheizt.
Windcloud / Braderup
Windcloud hat ein Rechenzentrum gebaut, das seinen Strom direkt aus einem Windpark bezieht. An seinem Standort in Nordfriesland, kann es auf gewaltige Windenergie-Kapazitäten zurückgreifen. Dies ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch kostengünstig. Das Unternehmen setzt auf Sektorenkopplung und verwertet auch die Abwärme der Server. Mit diesem System veredelt es den vor Ort produzierten Windstrom und stärkt die lokale Wirtschaft. Seinen Kund*innen bietet Windcloud Cloud-Infrastruktur, Daten-Back-Up, Virtuelle Server oder auch die Co-Nutzung ihres Rechenzentrums für die Serverhardware anderer Unternehmen.
Cloud & Heat / Dresden
Cloud & Heat hat ein Produkt entwickelt, mit dem die Abwärme der Serverzentren für die Fernwärme genutzt werden kann: einen Serverschrank, der Wasser erhitzen kann. In den Serverschränken wird Wasser dicht an den Prozessoren vorbeigeführt, wobei ein nützlicher Doppeleffekt entsteht: Die Server werden gekühlt und das Wasser gleichzeitig erhitzt. So lässt sich die entstehende Abwärme z. B. für die kommunale Wärmeversorgung zu nutzen.
Standort Schweden
Wasser und Wind, jede Menge kostengünstige erneuerbare Energien, kühle Umgebungstemperaturen und ein gut ausgebautes Fernwärmenetz: Skandinavien hat sich zu einem beliebten Standort für Rechenzentren entwickelt. Besonders in Schweden finden sich verschiedene innovative Großprojekte, die auf die Kopplung von Rechenzentren und Fernwärme setzen:
Elementica / Stockholm
Das im Bau befindliche „Elementica“ in Stockholm ist besonders ambitioniert: Vom Rechenzentrum werden Fernwärmerohre die gesamte Abwärme direkt zu einem Biomasseheizkraftwerk leiten. Dort wird sie anschließend zu Fernwärme aufbereitet und in das Fernwärmenetz von Stockholm eingespeist werden – im Jahr etwa 112 GWh, das entspricht dem Wärmebedarf einer Kleinstadt mit ca. 20.000 Einwohner*innen.
Ecodatacenter / Falun
In Falun/Nordschweden steht das EcoDataCenter, das sich als erstes klimapositives Rechenzentrum der Welt bezeichnet. Mit Erneuerbaren betrieben, speist es auch seine Abwärme in das lokale Fernwärmenetz ein. Außerdem wird die Abwärme zur Trocknung von Holzpellets eingesetzt. Diese Kombination ermöglicht vor Ort eine massive Reduktion fossiler Brennstoffe.
Die CO2-Emissionen des Internets wurden in der ökoRAUSCH Wissenswelt auf dem ökoRAUSCH Festival für Design und Nachhaltigkeit (28.8.-24.9.2020) im MAKK (Museum für Angewandte Kunst Köln thematisiert. Die ökoRAUSCH Wissenswelt steht nun als Wanderausstellung zum Verleih NRW-weit zur Verfügung. Weitere Informationen findet ihr auf stadt-land-welt.org oder schreibt an stadt.land.welt@posteo.de !
Fotos: Bozica Babic und Astrid Piethan
Quellen und Links:
* www.reset.org/knowledge/der-digitale-fussabdruck
* www.reset.org/act/so-verkleinerst-du-deinen-digitalen-fussabdruck-08162019
* www.reset.org/blog/cloudheat-verwandelt-die-waerme-aus-servern-warmes-wasser-08162017
* www.borderstep.de/publikation/hintemann-r-2018-studie-zur-entwicklung-von-rechenzentren-im-jahr-2017-berlin-borderstep-institut
* Hintemann, R. (2018). Rechenzentren 2017. Boom führt zu deutlich steigendem Energiebedarf der Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2017. Berlin: Borderstep Institut.
* www.wholegraindigital.com/blog/website-energy-efficiency
* www.websitecarbon.com
* www.greenerwp.net
* www.prototypefund.de
* www.elementica.se
* www.windcloud.de
* www.ecodatacenter.de
* www.cloudandheat.com
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Unser Co-Veranstalter des Festivals, Stadt Land Welt e.V. ist maßgeblich für die inhaltliche und vor allem methodisch aufbereitete Vermittlung der Themen des Festivals an ein breites Publikum verantwortlich. Die von ihm gestaltete „ökoRAUSCH Wissenswelt“ wird gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen.