Sabine Stein
22. September 2016Design und Gesellschaft
Mein Professor an der Hochschule Mannheim hat einst einen Satz gesagt, der mich sehr geprägt hat:
„Gestaltung ist auch der Entwurf einer anderen, besseren Welt – und die Arbeit an der Realisierung einer solchen.“ – Prof. Axel Kolaschnik
Doch was bedeutet das genau? Für mich als Gestalterin? Für meine Arbeit? Für die Welt da draußen?
Als Glücksministerin setze ich mich mit diesen Fragen schon seit längerem auseinander. Als Mitglied des frisch zusammen gesetzten Vorstands des Designzentrums Rhein Neckar e.V. entschloss ich mich zusammen mit meinen Kollegen, die allesamt aus den unterschiedlichsten kreativen Richtungen kommen, genau das zu thematisieren.
Was kann Design? Oder viel eher: Was ist denn überhaupt Design?
Mit einem Paukenschlag wollten wir verkünden, dass eine neue Ära dieses Vereins begonnen hat. Bestehendes in Frage stellen. Neues schaffen. Wir wollen Fragen stellen, auf die wir vielleicht auch noch keine Antworten haben. Aber es geht darum, gemeinsam daran zu arbeiten. Also haben wir ein Designfestival auf die Beine gestellt, das drei Wochen lang alle unterschiedlichen Facetten des Designs widerspiegelt. Und vor allem: Zeigt, dass der Designbegriff im Wandel ist. Dass Design ein Prozess ist. Es geht um Prozessgestaltung mit gesellschaftlicher und sozialer Relevanz. Daher haben wir ganz bewusst den Fokus auf das Thema „Social Design“ gelegt.
Daraus entstanden ist das Designfest UNCOVER: Aufmerksamkeit generieren, Wertschätzung schaffen, Neugierde wecken, zum Diskurs einladen – mit unterschiedlichen Formaten und Themenschwerpunkten.
Eine Ermutigung, auch die Unternehmenswelt neu zu denken und zu designen
In einem vollbesetzten Gründungszentrum wurde der Film „AUGENHÖHEwege“ gezeigt. Welche Wege führen zu einer neuen Kultur der Zusammenarbeit, die menschlich und ökonomisch erfolgreich ist? In diesem Dokumentarfilm werden Beispiele vorgestellt, wie Unternehmenskultur neu und innovativ gelebt und umgesetzt werden kann. Im Anschluss gab es eine Gesprächsrunde mit HR-Experten aus namhaften Konzernen, sowie dem Filmemacher Sven Franke. Dem Publikum brannten viele spannende Fragen unter den Nägeln und der Austausch ging bis spät in den Abend hinein, was wieder einmal zeigt, wie gut es funktioniert, wenn man Menschen Rahmenbedingungen bietet, die dazu inspirieren, über den Tellerrand hinaus zu schauen und Utopien nicht nur zu denken, sondern anzupacken!
augenhoehe-wege.de
Bilder der Zukunft
Design bedeutet auch die Gestaltung unserer Umwelt, unserer Lebensformen und der Gesellschaft – Gestaltung, Visualisierung und Umsetzung von Ideen, Visionen und auch Utopien. Dieser Mission gibt sich Michael Volkmer mit seiner Agentur Scholz & Volkmer, mit Sitz in Wiesbaden und Berlin, leidenschaftlich hin! Mit vielen außergewöhnlichen und äußerst erfolgreichen Projekten wie Zeit statt Zeug, 158, Radwende oder Kiezkaufhaus räumen sie reihenweise Preise ab und gestalten aktiv die Welt von morgen.
Michael Volkmer hat sich zum Ziel gesetzt, die wirtschaftlichen Ziele seiner Kunden mit den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit in Einklang zu bringen. Er skizzierte in einem Vortrag den Begriff des Social Designs und gab Einblicke in die abwechslungsreichen Projekte.
s-v.de
Happiness by Design
Für den Höhepunkt des Designfests haben wir den „Superstar“ des Grafik Designs eingeladen. Von Manhattan nach Mannheim: Stefan Sagmeister.
In seiner aktuellen Ausstellung „The Happy Show“ im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst kann man viele Erkenntnisse seiner zehn Jahre andauernden Untersuchung des Glücks finden, entdecken und erarbeiten.
Und genau über all diese Selbstexperimente berichtete Stefan Sagmeister uns höchstpersönlich und nahm über 600 Menschen in der bis auf den letzten Platz ausgebuchten Trinitatiskirche mit auf die Reise durch Momente seines Lebens, die ihn glücklich gemacht haben. Er zeigte auf vielfältige und lustige Weise auf, wie viele dieser Momente mit gutem Design zu tun haben.
sagmeisterwalsh.com
Kontrovers diskutiert
Ebenso wurde ein mit 10.000€ dotierter Designpreis ausgeschrieben, der in vier Kategorien vergeben wurde. Dem ganzen Designpreis-Wahn und absurden Einreichungskritieren zum Trotz, wollten wir dem Ganzen ein Gegenbeispiel liefern. So kostete eine Einreichung nichts und jeder durfte mitmachen, der ein Projekt zum Thema „Gastlichkeit“ zu zeigen hatte. Viele wunderbare, kreative und vielfältige Projekte wurden eingereicht und letztlich davon 12 nominiert. Aus diesen Nominierungen entstand die dreiwöchige Ausstellung im Port25 in Mannheim, die UNCOVER Formschau.
Gezeigt wurden unter anderem eine bunte Collage von bunten Picknickdecken, die von Flüchtlingen während gemeinsamer Mahlzeiten gestaltet wurden, Projektideen zur Zwischenraum-Nutzung von leerstehenden Gebäuden oder Ergebnisse eines Urban Hacking Workshops. Gewonnen hat unter anderem die Kampagne „RescEU“, welche die Ängste „besorgter Bürger“ ad absurdum führt und die Flüchtlinge dazu aufruft und ermuntert, nach Europa zu kommen, um uns hier mit unserem Wertesystem zu helfen. Help to love. Teach to talk. Show to share. Bei den Besuchern dieser Ausstellung gab es neben Begeisterung, Rührung und nachdenklichem Schweigen auch viele Fragezeichen, Unstimmigkeiten und Diskussionen, ob dies denn nun noch etwas mit Design zu tun hat. Darf Design das? Inwiefern haben wir eine gesellschaftliche Verantwortung?
Und auch die Jury hat heiß diskutiert. Sogar so heiß, dass kurzfristig ein extra Preis ausgerufen wurde, der Critics Choice Award. Dieser ging an ein experimentelles Projekt namens „Verschwendung findet statt“. Ein junger Mann brütet ein Hühner-Ei aus, welches in einer selbst gebauten Vorrichtung liegt. Diese Vorrichtung ist so konstruiert, dass das Küken direkt nach dem Schlüpfen vergast wird. All seine Vorbereitungen, das liebevolle Wenden des Eis und alle damit verbundenen Gedanken hält er akribisch in einem Tagebuch fest. Ebenso wie das Scheitern des Projekts: Er konnte das männliche Küken nicht töten und gibt es an einen Bauernhof ab.
Design kann also Leben auch retten? Was Design allemal kann, ist nachdenklich stimmen. Aktivieren. Motivieren. Kräfte bündeln. Berge versetzen.
Und darüber sollten wir uns bewusst werden. Wir haben eine enorme Kraft. Lasst sie uns richtig nutzen und für Gutes einsetzen!
uncover-mannheim.de
Bilder: Arthur Bauer und Sebastian Weindel