Grünstreifen Designbüro
9. Dezember 2016wiederverwandt
15. Dezember 2016Facts
Unternehmen: lands – next generation concepts
Bereich: Unternehmensberatung, Grafik Design, Webdesign
gegründet: 2009
Ort: Münster, Deutschland
Website: lands-concepts.com
Facebook: facebook.com/landsconcepts
Bei Tobias Daur geht es darum Wege zu gehen, die es noch nicht gibt. Es geht um Ausrichtung, Ethik, die Änderung von Lebensweisen und Design als Philosophie. Tobias ist Autodidakt im Bereich Gestaltung, hat Philosophie, Politik, Soziologie und Kommunikationswissenschaften studiert, hat 2009 das Projekt „lands – next generation concepts“ gegründet und arbeitet in einer Arbeitsgemeinschaft in Münster. In einem spannenden Gespräch hat mir Tobias genau erzählt, was ihn in seinem Beruf antreibt, inspiriert und mit welchen Dingen er sich beschäftigt. Seine berufliche Geschichte ist die Geschichte der Entwicklung zu mehr ökologischer Verantwortung in der Gestaltung und die Einbettung von nachhaltigen Gesichtspunkten in den Beruf.
Nachhaltigkeit als Art des Handelns
Auf meine Frage, wie das mit der Nachhaltigkeit bei ihm angefangen hat, musste Tobias lachen. Bei ihm hat es nicht mit Nachhaltigkeit angefangen, es ging tiefer in die Thematik, und Nachhaltigkeit ist eine Folge davon. Als ein Kind der 80er ist er schon früh mit der Friedensbewegung, Anti-Atom, NATO-Doppelbeschluss, Kalter Krieg, Tschernobyl und Waldsterben in Berührung gekommen. Es gab eine große Untergangs- und gleichzeitig Weltrettungsstimmung und daraus entwickelte sich bei ihm sehr früh eine Haltung, etwas tun zu wollen. „Wenn man grundsätzlich so ein Mensch ist, der da wo er steht Verantwortung übernimmt, dann kann man auch etwas ändern. Da wo man ist, muss man handeln. Und wenn du das tust entsteht daraus ein Habitus, eine Art an die Dinge heranzugehen.“ Das würde man heutzutage als Nachhaltigkeit bezeichnen. Tobias berichtet mir von dem Buch, das ihn Ende der 80er sehr geprägt hat: „Das Prinzip Verantwortung“ von Hans Jonas aus dem Jahr 1979. Der Autor war zu dieser Zeit der Erste, der beschrieben hatte, dass sich ethisches Handeln nicht nur auf die Handlung bezieht, sondern auch auf die langfristigen Folgen einer Handlung. Das war zu dieser Zeit neu. Heute treibt ihn das Weltretten an, wie er mit einem Augenzwinkern sagt, das geht über Nachhaltigkeit noch hinaus. Seine Arbeitsweise kann man auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit übertragen und sie zeigt wie tiefgreifend er Nachhaltigkeit in seinem Beruf lebt. Für ihn ist es spannend zu beobachten, was sich aus dieser Einstellung herauskristallisiert, wie sich die eigene Haltung entwickelt, wenn man sich traut die Dinge zu tun.
Die ökologische Seite der Nachhaltigkeit in der Gestaltung
Tobias hat die Einstellung, niemandem schaden wollen. Das bedeutet in der Gestaltung: Man denkt darüber nach, was passiert, wenn man etwas in den Druck gibt. Es wird Strom verbraucht, Farbe verbraucht und der Drucker an der Maschine durch Chemie geschädigt. Man kann also versuchen das so verantwortungsvoll wie möglich zu gestalten. In Münster konnte er für sein Team eine Druckerei finden, die nachhaltig ausgerichtet war und bereit, diesen Weg mit ihnen zusammen zu gehen. Sie haben angefangen sich mit dem Papier und später zusätzlich mit Öko-Farben und lösungsmittelfreien Farben zu beschäftigen. Die Farben waren am Anfang nicht wirklich gut und keiner wollte sie verdrucken, weil sie jede Menge an Makulatur erzeugt haben. Tobias hat es trotzdem gemacht und damals gemeinsam mit dem Drucker tagelang an der Druckmaschine gestanden und versucht mit den Farben ein gutes Druckergebnis auf ein offenporiges Naturpapier zu zaubern. Nicht nur das, er hat auf den Millimeter berechnet, wie man den größtmöglichen Nutzen auf einen Druckbogen bekommt, um möglichst wenig Verschnitt zu haben. Und er hat immer wieder mit den Papiervertreten darüber diskutiert wie das Papier zusammengesetzt ist, wo die Rohstoffe für das Papier herkommen und mit welcher Methode das Papier gebleicht ist. Tobias sieht darin eine Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Der Vertreter muss sich mit dir auseinandersetzen, wenn er dir etwas verkaufen möchte. Er wird dann zu seinem Chef gehen und ihm deine Fragen stellen, um sich mit ihm darüber auszutauschen. Man bringt etwas in Gang. Und am Ende macht es Spaß, wenn man ein gutes Ergebnis erzielt.
So eine Ausrichtung hört nicht bei der eigenen Berufsgrenze auf. Man beschäftigt sich mit den Gewerken mit denen man zusammenarbeitet. Die Verantwortung, zieht sich in alle Bereiche. „Es macht einen guten Designer aus, dass er ähnlich wie ein Philosoph die Dinge hinterfragt, bevor er sein Konzept umsetzt.“ Als Designer prägen wir mehr die Welt als wir es glauben. Wir haben die Verantwortung dafür wie die Dinge entstehen, aus welchen Materialien sie gearbeitet werden und welche Form sie bekommen, ob sie funktional sind und uns helfen. Design ist ein zentrales Thema, wenn es um die Frage geht wie wir unsere Gesellschaft gestalten, wie Kommunikation funktioniert und worauf Menschen reagieren.
Die soziale Seite im Beruf
Den sozialen Pfeiler beschreibt Tobias Daur in vier Punkten: die eigene Ausrichtung, die persönliche Weiterentwicklung, die gegenseitige Unterstützung und die Empathie für den Kunden.
Die Ausrichtung der eigenen Arbeit hängt damit zusammen mit welchen Kunden man arbeitet. Im Design sollten das die Kunden und die Ideen sein, die man unterstützen möchte. Man stellt ihnen schließlich alles zur Verfügung, was man kann und gelernt hat, und unterstützt sie dadurch in ihrem Erfolg. Als Berater kann Tobias empfehlen, sich genau auf den Kern von dem zu fokussieren, was man gut kann und gerne macht. Durch die Schärfung des eigenen Profils kann man genau die Kunden erreichen, für die das Angebot gemacht ist. Er selbst hat das Angebot von „lands“ genau auf die LOHAS-Welle (Lifestyles of health and sustainability) ausgerichtet. Auf Menschen, die seine ethischen Werte teilen. So kann man im Beruflichen genau das umsetzen, was einem wichtig ist und man wird für Kunden attraktiv, die vorher nicht auf einen aufmerksam geworden waren. Über die eigene Arbeit hinaus kann man auf Veranstaltungen gehen, nicht um Akquise zu betreiben, eher um das eigene Profil zu schärfen, Menschen kennenzulernen, Gleichgesinnte zu treffen und ein Bewusstsein zu entwickeln. Daraus entsteht häufig der Wunsch sich stärker zu vernetzen. Ein Beispiel, wie man das im Bereich Nachhaltigkeit machen kann, ist der Verband dasselbe-in-gruen.de . Hier schließen sich Unternehmen zusammen, um Austausch anzuregen, Vernetzung zu fördern, Marketing zu stärken und dadurch die grüne Wirtschaft zu stärken.
Als Gestalter arbeitet man mit Menschen zusammen, die etwas über ihr Unternehmen zum Ausdruck bringen wollen. Dabei wissen sie oft nicht, wo sie selbst stehen und müssen sich selbst und ihre Position hinterfragen: Wie gehe ich mit meinen Mitarbeitern um? Wie gehe ich mit der Umwelt um? Wie funktioniert meine ganze Produktion? Wie funktioniert meine ganze Arbeitsweise? Tobias hat angefangen mit kleinen Unternehmen Workshops durchzuführen, um diese Basisarbeit zu machen. Er möchte die Mitarbeiter mit einbinden und deren ethisches Bewusstsein stärken. Die Ausrichtung und die Werte werden dann im besten Fall von allen gemeinsam getragen.
Verantwortung in der Wirtschaft
Es muss nicht immer darum gehen erfolgreicher zu sein oder möglichst viel Geld zu verdienen, man kann zusätzlich zur Arbeit Energie in die gegenseitige Unterstützung legen. Es gibt mittlerweile Wirtschaftsformen, die auf Kooperation basieren und sich an gemeinsamen Werten orientieren. Hat man das Gemeinwohl im Blick kann man für andere nützlich sein. Dafür schaut man über den eigenen Tellerrand hinaus und entwickelt verantwortungsvolles Handeln. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter, der Zulieferer und Kunden bekommen mehr Gewicht. Tobias ist in der Initiative „Gemeinwohlökonomie Münsterland“ aktiv, um genau diesen Gedanken weiter voranzutreiben. In der Wirtschaft findet man diese Gedanken in den „Social Businesses“, wie zum Beispiel dem Konzept der grameen-bank.net von Muhammad Yunus aus Bangladesh. Die Idee war, Frauen Mikrokredite auszuzahlen, von denen sie Material für ihre Unternehmung kaufen konnten. Von dem Erlös der verkauften Ware konnten sie ihre Kredite zurückzahlen und das Unternehmen von dem zusätzlichen Überschuss weiterentwickeln und so unabhängig werden. Dort kann nicht nur das Unternehmen wachsen, sondern sie können ihren Kindern Bildung finanzieren und so aus der Armut hinauswachsen. Solche Beispiele zeigen, welche Macht unternehmerisches Handeln haben kann. Ideen können stark werden und sind nicht auf die Politik angewiesen.
Tobias Daur hat mich dazu bestärkt, die eigene Arbeit auf das Gemeinwohl auszurichten. Selbst wenn sich eine konsequent nachhaltige Arbeitsweise zunächst schwierig anhört, soll man den Mut haben diesen Schritt zu gehen. Man kann ein gutes Produkt anbieten, Ressourcen schonen, seine Mitarbeiter fair bezahlen und trotzdem wirtschaftlich sein.
Danke Tobias, für das inspirierende Gespräch. Wir haben außerdem über den Film „Tomorrow“, die Postwachstumsökonomie, den Vortrag „Anfang und Ende des Kapitalismus“ (youtube), die Sustainable Development Goals und die Änderung von Lebensweisen gesprochen. Tobias geht regelmäßig auf Veranstaltungen und ist bestimmt immer für ein weiterführendes Gespräch zu haben.