Alternativer Konsum & Prosumer
16. November 2017Circular Product Design
20. März 2018Die ersten Zeilen dieses Textes schrieb ich, während ich auf einem modularen Bett in der Kölner Einkaufszone saß. Ich war Teil einer Performance, welche die Grenzen der Privatsphäre und der Gewohnheiten in öffentlichen Räumen erforschen wollte. Also habe ich in der Öffentlichkeit Dinge getan, die ich sonst nur alleine tue. Nämlich geschrieben. Insbesondere in meiner Heimatdomäne, der Philosophie, geschieht die eigentliche Arbeit für gewöhnlich alleine und hinter mehr oder weniger verschlossenen Türen. Wissenschaft passiert in einer Bibliothek, in einem Hörsaal, in einem Labor, mindestens jedoch an einem Schreibtisch. Stattdessen saß ich dort auf einem Bett zwischen Konsumtempeln, war sichtbar und ansprechbar.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind viele unserer alltäglichen Gewohnheiten in die Kritik geraten, wurden überdacht und umgestaltet. Regionale Lebensmittel in Bio-Qualität, Unverpackt-Läden oder Foodsharing sind in den Großstädten heute grundsätzlich zugänglich. Kleiderkreisel, die Kleiderei oder Labels wie Armed Angels ermöglichen es, um Produkte von H&M und ähnlichen Herstellern herum zu kommen. Dank Carsharing brauche ich auch kein eigenes Auto mehr, habe aber trotzdem immer eins zur Hand. Aber wie sieht das eigentlich bei der Einrichtung und Möbeln aus? Gehen wir davon aus, ich habe kein Händchen für DIY und schneide mir eher den Daumen ab, als einen Balken gerade. Als flüchtige Geisteswissenschaftlerin nehme ich jede Projektanstellung lieber an, als im Elfenbeinturm zu verschimmeln und weiß deswegen auch nicht genau, für wie lange ich meine aktuellen Möbel in dieser Wohnung eigentlich brauchen werde. Im Zweifel führt mich mein Weg dann meistens direkt oder über den Umweg durch Ebay-Kleinanzeigen doch zu IKEA.
Eine Art Leihbücherei für Möbel – das war die Vorstellung von Julian Kordt und mir. Wir haben lange daran getüftelt und dieses Jahr READYMADE gegründet, eine Community, die Möbel teilt und dadurch nicht nur Flexibilität, sondern auch mehr Nachhaltigkeit in die Möbelbranche bringt. Das Konzept funktioniert ähnlich wie Car-2-Go: Unser Stock besteht aus Essentials, aus Dingen, die jeder braucht mit schlichtem, minimalistischem Design. Jedes Clubmitglied kann sich im Online-Shop die Möbel, die es gerade braucht mit der gewünschten Mietlaufzeit aussuchen und wir kümmern uns um den Rest. Das heißt aber nicht nur, dass wir die Möbel liefern, aufbauen und am Ende wieder abholen. Das heißt auch, dass wir die Möbel so pflegen und überarbeiten, dass sie so lange wie möglich erhalten bleiben. Ausgehend von einer guten Grundsubstanz arbeiten wir mit den Gebrauchspuren, die jede Nutzerin zwangsläufig auf den Möbeln hinterlässt. Nach und nach entsteht so ein Möbel mit sichtbarer Geschichte und individuellen Eigenschaften. Neben kleinen Überarbeitungen, wie Oberflächenbehandlungen, kann es bei gröberen Schäden am Möbel auch passieren, dass das ursprüngliche Design von uns gehacked wird und ein ganz neues Stück mit hinzugefügten (recycelten) Materialien entsteht.
Deswegen standen wir also neulich mit unserer Performance „MovingIMM“ in der Kölner Fußgängerzone, im bunkerk101, in der IMI Winery und in der Markthalle: Robuste Designermöbel gehören nicht in sterile Showrooms, sie wollen belebt und benutzt werden – genau dafür sind Möbel doch da. Ein nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen bedeutet nicht nur, nachhaltig zu produzieren, sondern grundsätzlich anders zu konsumieren, nämlich gemeinschaftlich und wertschätzend.