Change by Design (or by Disaster)
23. Dezember 2016KnowMe
28. Dezember 2016Kreative Ideen gegen Lebensmittelverschwendung
Design-Studierende der Bergischen Universität Wuppertal und der Folkwang Universität der Künste entwickeln im Wettbewerb „Lebensmittel sind mehr wert“ Medien- und Produkt-Lösungen, die zu einem wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln motivieren möchten. Initiiert hat den Wettbewerb das Projekt MehrWert NRW der Verbraucherzentrale NRW.
Jeder Deutsche wirft statistisch rund 82 Kilogramm genießbare Lebensmittel im Jahr weg. In Geld ausgedrückt sind dies etwa 235 Euro pro Kopf und Jahr, die im Müll landen. Genug Geld für einen schönen Kurzurlaub in der Region. Doch das Problem ist kein rein Individuelles. Schließlich werden auch Gemeingüter wie Boden und Wasser unnötig ge- und verbraucht. Und der Einsatz von Kraftstoffen und Düngemitteln, die beim Anbau benötigt werden, führt zu einem Ausstoß von Treibhausgasen, die unser Klima zusätzlich aufheizen.
Es gibt also genügend Gründe, weshalb es gut ist, mit Lebensmitteln sorgsam umzugehen. Dieser Einsicht stehen allerdings bei uns allen verschwenderische Alltags-Routinen beim Einkaufen, Lagern und Kochen im Weg. Um diese zu durchbrechen, braucht es neue Denk- und Handlungsansätze.
Design-Lösungen für die Praxis
Das Projekt MehrWert NRW der Verbraucherzentrale NRW hat deshalb gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal und der Folkwang Universität der Künste einen studentischen Wettbewerb mit dem Titel „Lebensmittel sind mehr wert“ initiiert. Dieser erstreckt sich über das gesamte Wintersemester 2016/2017. Studierende des Mediendesigns und Industrial Designs sind eingeladen, Kommunikations- und Produktlösungen zu entwickeln, die zu einem wertschätzenden und bewussten Umgang mit Lebensmitteln führen. Gesucht sind gute und kreative Ideen für die Praxis. Die Verbraucherzentrale NRW bringt ihr Fachwissen ein und begleitet die Entwicklungsarbeit der Studierenden.
Von A wie App bis Z wie Zustellung
An der Bergischen Universität Wuppertal beteiligen sich unter anderem die Studierenden des Designs Interaktiver Medien bei Professor Kristian Wolf an der Wettbewerbsaufgabe. Sie bedienen sich dabei den Methoden des Design Thinking Ansatzes, bei dem sie im Vorfeld Benutzer und deren Anliegen analysieren und auswerten, um daraufhin digitale und analoge Services zu erstellen, die passgenau auf die Probleme des Alltags zugeschnitten sind.
Nadine Hoffmann hat sich zum Beispiel die Frage gestellt, wie man sich in der kalten Jahreszeit regional, gesund und lecker ernähren kann. Sie führte dazu ein Experiment an sich selbst durch und kochte zwei Wochen mit regionalen Zutaten nach Plan. Zuvor hatte sie eine Reihe von saisonalen Rezepten zusammengestellt und alle notwendigen Zutaten eingekauft. „Ich fand es sehr bereichernd zu sehen, wie vielfältig das regionale Gemüseangebot im Herbst ist. Die verschiedenen Rezepte zeigten mir, dass sich Kürbis oder Steckrüben sehr variantenreich zubereiten lassen und sich der Speiseplan durchaus abwechslungsreich gestalten lässt. Sehr entspannend empfand ich dabei, alle Zutaten zur Hand zu haben und an jedem Abend zu wissen, was zu tun war.“ Sie beschloss daraufhin, eine App zu entwickeln, die den Nutzern saisonale Rezepte vorschlägt und ihnen dabei hilft, ihre Speisen eine Woche im Voraus bedarfsgerecht zu planen. Die Zutaten dafür sollen von Bauernhöfen der Umgebung kommen und jede Woche frisch vom Acker ins Haus geliefert werden.
Neben dem Fach Design Interaktiver Medien sind noch die Fächer Design Audiovisueller Medien sowie Mediendesign und Medientechnik am Wettbewerb beteiligt. Die Ergebnisse werden daher sehr vielfältig sein.
Die Kraft der Mentalen Modelle
An der Folkwang Universität der Künste haben Studierende des Industrial Designs unter Professorin Anke Bernotat das Konzept der Mentalen Modelle herangezogen. „Mentale Modelle sind kleine Theorien darüber, wie die Welt funktioniert“, erklärt Bernotat. „Sie liegen unserem Denken implizit zugrunde und leiten unsere alltägliche Wahrnehmung, unsere Entscheidungen und unser Verhalten. Wenn wir uns in Richtung Nachhaltigkeit bewegen wollen, brauchen wir Mentale Modelle, die beispielsweise das Ziel enthalten, Ressourcen zu erhalten. Sie helfen uns, unsere Blickrichtung zu ändern, die Welt neu zu denken und uns anders zu verhalten.“
„#I grew it, I care“ oder „#seasonal is best“ könnte solch ein Mentales Modell lauten. Veronique van Engeland hat es ihrer Arbeit zugrunde gelegt. „Ich möchte das Anbauen von Lebensmitteln in die privaten Haushalte bringen, um Menschen zu sensibilisieren, nachhaltiger mit Lebensmitteln umzugehen. Durch das Selberziehen gewinnt man einen Bezug zu den Lebensmitteln, wirft weniger weg und konsumiert bewusster“, erklärt Veronique van Engeland. Ihr Kommilitone Julian Hensel ist auch der Überzeugung, dass unbewusste Konsummuster dazu führen, dass wir zu viel wegwerfen. Damit meint er die übervollen Kühlschränke, die oft aus Sorge, zu wenig zu essen zu haben, bis an die Oberkante gefüllt werden. „‘Mehr ist mehr‘ scheint hier die Devise zu sein. Wir kaufen zu viel auf einmal ein und verlieren dann den Überblick über das, was wir zu Hause haben. Das führt zum sinnlosen Wegwerfen.“ Ihm schwebt daher das Mentale Modell „#eat fresh“ vor, das Verbraucherinnen und Verbraucher dazu bewegen soll, weniger und dafür häufiger einzukaufen. Das Argument der Frische könnte hier überzeugend wirken. „Im Moment forsche ich noch. Es ist daher offen, welche Produktlösung ich für dieses Problem finden werde. Aber durch das Mentale Modell hab’ ich die Richtung nun gefunden.“
Der Wettbewerb läuft noch bis Ende März 2017 und wird mit zwei Preisverleihungen 2017 in den beiden Hochschulen abgeschlossen.
Weitere Informationen unter: www.verbraucherzentrale.nrw/mehrwert