Marc Rexroth
17. April 2018Daniela Röcker ist Geschäftsführerin der Kultur-Komplizen und von priomy, einer Plattform für selbstbestimmte Arbeit. Selbstbestimmtes Arbeiten im Kontext New Work und Arbeit 4.0 ist für sie die Grundlage, um ökologische und soziale Nachhaltigkeit in Unternehmen umzusetzen und den digitalen Wandel sinnvoll zu gestalten. Sie studierte BWL und Kulturwissenschaften und ist Facilitator für ästhetische Praxis im Sinne der Sozialen Plastik nach Beuys. Sie ist Mitglied im Cradle-to-Cradle e.V. und Verfechterin der Circular Economy.
Was hat dich inspiriert das zu tun, was du heute tust?
Es war die simple Erkenntnis, dass Arbeitszeit gleich Lebenszeit ist. In dieser Lebenszeit habe ich selbst Verantwortung für mich und für das, was ich mache. Da ich keine Maschine, sondern ein Ökosystem und organisches Wesen bin, nehme ich sehr intensiv mit allen meinen Sinnen wahr, was um mich herum passiert. Die großen Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel, globaler Handel und die damit verbundenen Verteilungskämpfe und Ungerechtigkeiten, extensive Bodennutzung, Artensterben von Tieren und Pflanzen bewegen mich im wahrsten Sinne des Wortes.
Mein Handlungsfeld ist die Transformation am Arbeitsplatz, denn Arbeit ist (noch) einer unserer wichtigsten Identifikationsfaktoren. Wir definieren uns selbst über unsere Arbeit, u.a. weil es eine finanzielle Abhängigkeit gibt, aber auch, weil wir das lieben, was wir tun und wir einen wie auch immer gearteten Beitrag für die Gemeinschaft leisten wollen. Betriebliche Strukturen und Hierarchien aus der Vergangenheit verhindern jedoch oft, dass wir uns am Arbeitsplatz wohl und gesund fühlen. Deshalb finde ich es sinnvoll am Arbeitsplatz Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen dort Selbstwirksamkeit erfahren. Der Arbeitsplatz ist für mich ein Ansatzpunkt für Veränderungen, die in die Gesellschaft hineinwirken.
Du hast einen gottgleichen Fingerschnipp frei: was würdest du in der Welt verändern?
Unsere Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsfähigkeit. Wir sehr gut darin, unglaublich viel auszublenden und nur partiell aufmerksam zu sein. Das ist einerseits überlebenswichtig, damit wir im Information-Overflow nicht ausbrennen. Andererseits distanziert es uns von Wahrnehmungen, die uns helfen können, uns zu erden und in uns anzukommen. Und dann gestärkt, angstfrei und mit mehr Empathie für Systeme und Organismen intelligent und mit der Liebe zum Experiment und zur Unperfektheit handeln können.
Hinfallen, Staub abklopfen, weiterlaufen… Was hast du auf deinem Weg gelernt?
Genau das – Hinfallen, Staub abklopfen und weiterlaufen. Es ist nichts absolut und es gibt keine allumfassende Wahrheit. Alles verändert sich in jedem Moment meines Lebens und darin liegt die Schönheit des Lebens. Es war für mich unglaublich hilfreich, mir die feministische Sicht auf die Welt zu erschließen, die nicht durch Schulwissen vermittelt wird. Damit hat sich für mich die andere Seite der Weltkugel geöffnet, die mir Vieles, was mir vorher merkwürdig erschien, verständlich machen konnte. Damit ist zwar mehr Komplexität entstanden, doch diese Komplexität ist in sich sehr stimmig auf dem Weg zur vollständigen Gleichberechtigung. Und ich danke Frauen wie Simone de Beauvoir oder Judith Butler für ihre Grundlagenwerke oder aktuell Margarete Stokowski, die einen modernen Feminismus verbreitet, der einfach nur erfrischend ist. Ergänzend ist es sinnvoll, sich klarzumachen, dass man selbst nicht alles in seiner eigenen Lebenszeit schaffen kann, evtl. auch nur Impulse setzen kann – Pragmatismus und Gelassenheit machen es mir leicht, weiterzulaufen.
ökoCelebrity, den*die du gern noch persönlich treffen möchtest.
Ich halte nichts von Celebrities und jegliche Art von „auf einen Sockel“ heben ist mir fremd. Geschichte wurde viel zu lange entlang „großer Köpfe“ geschrieben und erklärt. Ich bin da eher bei Bertold Brecht und seinen „Fragen eines lesenden Arbeiters“, wie z.B. „Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war, die Maurer?“ Wenn ich mir ein Treffen wünschen würde, dann wäre das eher ein Roundtable aus verschiedenen Disziplinen und Kulturkreisen.
Ein Fakt über nachhaltiges Wirtschaften, den du gern schon vor 10 Jahren gewusst hättest.
Die Tatsache, dass Recycling immer Downcycling bedeutet, hätte ich gerne früher gewusst. Dass Wertstoffe mehrere Recyclingzyklen durchlaufen können wusste ich zwar, aber dass am Ende immer ein Rest übrigbleibt, habe ich erst gelernt, als ich die Cradle to Cradle Idee kennenlernte. Früher habe ich mitunter Upcycling-Produkte gekauft und mich damit gut gefühlt. Jetzt sehe es das kritisch, denn im schlimmsten Falls kann das Upcycling-Produkt noch weniger recyclet werden als die ursprünglichen Materialien.
* Die Fragen stellten Anika Paape und Christina Schütz.
Programmhinweis ECO DESIGN FORUM 17. Mai 2018:
Daniela Röcker ist Teil des Speed-Datings & der Diskussion mit unserem Expert*innen-Quartett: Das Potenzial von Nachhaltigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft und leitet den Workshop Nachhaltige / soziale / ethische Unternehmensführung am Nachmittag.