Ividu Design
28. August 2018Designcamp. NRW
27. Dezember 2018Ich bin Annette. Ich lebe und arbeite in Berlin und führe einen aktiven, nachhaltigen Lebensstil. Die Füße, die mein Leben sprichwörtlich tragen müssen, werden oft vernachlässigt. Ich habe mich mit den Füßen und dem natürlichen, ursprünglichen Gang des Menschen beschäftigt – dem Ballengang.
Nachhaltig laufen
Beim Ballengang setzt man zuerst den Vorderfuß oder Ballen auf, was sich manchmal zu Beginn so anfühlt, als würde man wie ein Storch durch die Wiese staken. Ich wusste früher gar nicht, dass es dafür einen Namen gibt. Ich wusste nur, dass es gesund sein soll, „wie ein Indianer zu gehen“. Ich praktiziere den Ballengang schon seit vielen Jahren zuhause in Socken. Als ich dann das Godo-Buch von Hans-Peter Greb las, erfuhr ich, dass der Ballengang sich positiv auf den ganzen Körper und – nach Peters Ansicht – auch positiv auf die Seele auswirken soll. Also versuchte ich, auch den Rest der Zeit im Ballengang zu laufen, was aber mit meinen normalen Schuhen nicht möglich war. Letztlich ist der Ballengang insofern „nachhaltig“, da man damit seine Gelenke weniger beansprucht und abnutzt, sozusagen den eigenen Körper nachhaltig behandelt.
Daraufhin suchte ich nach Barfußschuhen, die wasserabweisend sind und bei denen kein Kunststoff an meine Haut kommt. Und die mir passen und gefallen. Ich fand einfach keinen Schuh, der alle diese Kriterien in sich vereinte. Da kam mir meine Londoner Zusatzausbildung zur Schuhdesignerin zugute. Ich entschied kurzerhand, mir meine Traumschuhe selbst zu kreieren.
Unter der Marke Aehrenkranz habe ich einen nachhaltigen, umwelt- und hautfreundlichen Barfußschuh entwickelt. Dieser wird unter fairen Arbeits- und Handelsbedingungen in Portugal hergestellt. Besser gesagt, ist es gleich eine ganze Kollektion von Minimalschuhen, wie ich meine fußgerechten Schuhe nenne.
In den vergangenen knapp zwei Jahren entstanden ein Halbstiefel, ein Sneaker und ein Ballerina-Schuh mit den schönen Namen Freudentanz, Reiselust und Sommerwiese. Alle Schuhe gibt es in zwei Varianten: zum einen aus pflanzlich gegerbtem deutschem Rindsleder von ecopell, zum anderen aus veganem Piñatex. Beide Materialien sind zertifiziert schadstofffrei und Allergiker verträglich.
Veganes Material für bequeme Schuhe
Ich habe etliche Monate nach wasserabweisenden natürlichen Lederalternativen gesucht und viel rumprobiert. Ich wollte den Veganern auch eine Synthetik-freie Alternative anbieten. Was nützt es nämlich der Umwelt und den Tieren, wenn man zwar kein Leder trägt, dafür aber mit seinen synthetischen High-Tec-Klamotten und Schuhen zur Verseuchung der Meere mit Microplastik beiträgt? Dann wird oft noch propagiert, die doch sehr zum Müffeln neigenden synthetischen Schuhe in der Waschmaschine zu waschen, was eine große vermeidbare Umweltsünde ist… weil sich sehr viel Microplastik ab- bzw. auswäscht, das dann über das Grundwasser in die Flüsse und Meere wandert und letztlich in unserer Nahrung landet. Dieses Microplastik können die Wasserwerke noch nicht ausfiltern, weil es zu klein ist.
Bei meiner Suche stieß ich auf Piñatex, das kurz zuvor erst auf den Markt kam. Es besteht aus dem Blattgrün der Ananasfrucht, was ansonsten luftverschmutzend in offenen Feuern von den Bauern verbrannt wird. So werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die Ananasbauern erhalten für ihren Abfall auch noch Geld und schonen gleichzeitig die Umwelt. Das zellulosehaltige Rohmaterial wird in Spanien weiterverarbeitet und leicht beschichtet. Dabei wird großer Wert auf Schadstofffreiheit und Nachhaltigkeit gelegt. Die Vision des Herstellers ist, mit dem biologisch abbaubaren Material den „cradle to cradle“-Kreislauf zu schließen.
Hochwertiges Material und langlebige Verarbeitung
Die Schuhe sind mit Bio-Baumwolle bzw. Ökoleder dünn gefüttert. Alle Materialien werden von europäischen Händlern eingekauft und stammen aus fairen Handelsbedingungen; die Baumwolle ist GOTS-zertifiziert. Die Laufsohle ist zugunsten besserer Abriebwerte aus recyceltem Gummi. Ich habe mich bewusst gegen Naturkautschuk entschieden, weil dessen Verwendung die Abholzung von Urwald und den pestizidreichen Anbau in Monokulturen bedeuten würde.
Die äußerst bequemen Schuhe zeichnet obendrein eine mit dem Schaft vernähte Laufsohle aus. Das macht sie länger haltbar. Aufgrund meiner jahrelangen Erfahrungen in der Schuhproduktion kenne ich das Problem mit den Sohlen, die sich ablösen. Je dünner und biegsamer ein Schuh ist, desto größer wird das Problem. Nun ist das Vernähen der Sohle mit dem Schuhschaft nicht gerade günstig und deswegen recht selten anzutreffen. Viele Hersteller nähen nur noch durch die losen Sohlen und kleben diese anschließend samt Naht an den Schuh. Oder sie verwenden vorgenähte Streifen, die zwischen Schuh und Sohle geklebt werden. Bei beiden Methoden erhält der Laie – also der Kunde – den Eindruck, dass der Schuh selbst mit der Sohle vernäht wurde. Das sind sehr weit verbreitete Tricks. Letztlich wird der Käufer damit veräppelt…
Ich habe mich bewusst für die mit dem Schaft vernähte Sohle entschieden. Ich möchte nicht, dass meine Schuhe nach kurzer Zeit kaputt gehen. Ich selbst werfe selten etwas weg und repariere, was zu reparieren geht. Als dem kapitalistischen System gegenüber eher skeptisch eingestellte Person ist mein vorrangiges Ziel nicht die Gewinnmaximierung, sondern langlebige und wirklich nützliche Produkte auf den Markt zu bringen, die zusätzlich auch noch einen ästhetischen Anspruch erfüllen.
An diesen Kriterien erkennt man einen Aehrenkranz Barfußschuh
- sie bieten allen Zehen ausreichend Platz,
- sie haben keinerlei Absatz und eine sehr biegsame weiche Sohle, durch die man den Boden spüren kann,
- sie passen sich dank der tief gehenden Schnürung und einer extra Einlegesohle ideal diversen Fußbreiten an,
- sie verzichten auf Versteifungen und Fußbett, weil beides die Bewegungsfreiheit der Fußmuskeln einschränken würde
- und sie ermöglichen den Ballengang (ohne den Hackengang auszuschließen).
Die Reise startet jetzt erst richtig
Für 2019 sind noch Winterschuhe und auch Hausschuhe geplant. Ebenso sollen gegen Ende 2019 auch die Kinder Aehrenkranz-Schuhe bekommen.
Aehrenkranz geht noch einen Schritt weiter und schaut über den „modischen Tellerrand“ hinaus. Ich engagiere mich politisch und positioniere mich ganz klar gegen rechts, kämpfe gegen Rassismus und Ausgrenzung und trete für ein menschenwürdiges Leben aller Menschen ein.
Wer sich die stylischen Minimalschuhe genauer ansehen und kaufen will, kann das derzeit in einer Crowdfunding-Kampagne tun.
Crowdfunding bedeutet, dass Fans und Interessenten – also jeder, der mag – in ein Projekt investiert und damit dem Projekt zum Erfolg verhilft. Als Gegenleistung oder so genanntes Dankeschön gibt es die in der Kampagne vorgestellten Produkte, oft auch zu vergünstigten Preisen. Die Unterstützenden erfahren in der Kampagne, wieviel Geld benötigt wird und wofür es eingesetzt werden soll.
Zur Kampagne auf Startnext geht es hier: startnext.com/minimalschuhe
Fotos: Benedikt Wohlleben (Studio) und Annette Becker (Gras und Stein) / Video: Oliver Schulz