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28. Dezember 2016ecosign
30. Dezember 2016SOCIAL DESIGN – Perspektiven für nächste Generationen
Nicolas Beucker lehrt und forscht über öffentliche Räume und gesellschaftszentrierte Gestaltungsmethoden. In seinen Studien und Projekten thematisiert er, wie Stadträume und Stadtoberflächen als ‚urban interface’ gut lesbar, emotional ansprechend und zum Gebrauch einladend gestaltet werden können. Im Blog stellt er uns seine Interpretation von Social Urban Design vor.
Design-Lösungen für die Praxis
Design ist eine optimistische Disziplin. Und damit ist Design eine der Schlüsseldisziplinen in Zeiten von Unsicherheit und Krisen. Mit designerischem Denken und Handeln lassen sich Gelegenheiten und Möglichkeiten fokussieren statt Hindernisse und Risiken. Design unterfüttert Hoffnungen und zeigt die Möglichkeiten besserer Zukünfte auf. Wer Design so versteht, hinterfragt die Ansprüche an eine bessere Welt und entwickelt eine Haltung für Mitverantwortung an deren Gestaltung. Vor dem Hintergrund einer nach ökologischer und sozialer Gerechtigkeit suchenden Gesellschaft verwundert es nicht, dass seit den letzten Jahren wieder vermehrt gesellschaftliche Anliegen in die Designdebatten einfließen.
Mit Veröffentlichungen unter den Überschriften „Design for Social Innovation“, „Social Design“, „Transformation Design“, „Kann Gestaltung Gesellschaft verändern?“ oder noch allgemeiner „Weltentwerfen“ werden Designer daran erinnert, sich mit ihren Kompetenzen aktiv für die Gestaltung eines gelingenden Gemeinwesens zu engagieren. Ihre Vorstellungskraft und die Fähigkeiten, diese Vorstellungen anderen so mitteilen zu können, dass sie darüber urteilen können wird dabei immer wichtiger. Designerinnen imaginieren das noch nicht Vorhandene und entwickeln Darstellungen, die es ermöglichen, über vorstellbare Zukünfte zu sprechen. Hiermit übernehmen sie eine Vermittlerfunktion zur Gesellschaft. Denn immer wenn es darum geht, die Welt zu gestalten, müssen mehr als nur Designer darüber befinden können, wie die Zukunft aussehen soll. Teilhabe in Designprozessen wird so zu einer neuen Kompetenz der Designprofessionen. Nicht nur muss Teilhabe von Designerinnen als wichtige Vokabel erlernt und verinnerlicht werden, Teilhabe muss vor allem gelebt werden. Dafür werden Designerinnen und Designer sich als Autoren zurücknehmen und auch schonmal partizipativ in co-kreativen Prozessen gestalten müssen. Je gesellschaftlicher ihre Aufgaben werden, desto häufiger werden Designer ihre Entwürfe in Aushandlungsprozessen auch mit den betroffenen Anspruchsgruppen und nicht nur mit Auftraggebern diskutieren. Dazu braucht es nicht nur Dialogbereitschaft und Empathie sondern die Bereitschaft, sich vertrauensvoll auf Augenhöhe zu begegnen. Nicht, dass Design seine Rolle als Impulsgeber für ästhetische Maßstäbe in Zukunft einbüßen wird. Es wird in vielen Gestaltungsfragen allerdings mit ästhetischen Mitteln ethischen Fragen begegnen.
Unsichtbares Design
Design für eine gemeinwesenorientierte Zukunft braucht also andere Voraussetzungen als das Design, das sich vor allem der Absatzwirtschaft verpflichtet fühlt. Dafür wurden und werden allerorts die Lehrpläne ergänzt. So auch an der Hochschule Niederrhein. Designstudierende in Krefeld haben schon seit über zehn Jahren Gelegenheit, sich mit Projekten zu beschäftigen, die das „Unsichtbare Design“ (Lucius Burckhardt) berücksichtigen. Sie lernen, sich mit Beziehungen zu beschäftigen, die durch das Design von Dingen entstehen und Produkte, Räume, Situationen oder Kommunikationsformen entsprechend zu gestalten. Das alles findet in Projekten des Social Design statt. Oft allerdings fehlten bisher methodische Grundlagen dafür, wie eine emphatische Annäherung an Entwurfskontexte und ein Verständnis für die unterschiedlichsten Anspruchsgruppen erlangt werden kann. Zudem stellt Social Design die Frage nach dem designerischen Lösungsweg erst während der vertiefenden Auseinandersetzung mit einer meist unscharfen und komplexen Aufgabe. Eine frühe Festlegung von Lösungswegen bestimmter Designprofessionen wie Produkt-, Grafik-, Automobil-, Messe, Editorial-, Web- oder XY-Design ist im Social Design eher kontraproduktiv.
Ab dem Frühjahr 2017 wird social design deshalb neu im Krefelder Design Curriculum verankert sein. Social Design wird zu einem wählbaren Vertiefungsfach. Systematisch können angehende Designerinnen und Designer nun Methoden zur Verdichtung von Empathie, Teilhabe, Partizipation und Co-Kreation erlernen. Es werden vorbildliche Projekte diskutiert und in ausgewählten Themenfeldern und Anwendungskontexten gewissenhaft Kriterien für eine bessere Welt verhandelt. Aus diesen heraus lassen sich dann Handlungsfelder und konkrete soziale Projekte definieren.
Aus dem Interesse interdisziplinärer Betrachtungsweisen heraus baute Nicolas Beucker 2009 das Kompetenzzentrum Social Design an der Hochschule Niederrhein auf. Mit Kommunen am Niederrhein erarbeitet SOUND verschiedene Ansätze für bürgernahe Stadtentwicklung. Beispielhaft dafür steht das StadtRaumFestival VIERTELPULS, das 2015 in Kooperation mit der Stadt Krefeld und der Urbanen Nachbarschaft Samtweberei durchgeführt wurde.
Aktuelle Artikel von Nicolas Beucker:
(2015) Transformation Design: A Piecemeal Situational Change. Transformation Design in Perspectives on a New Design Attitude. Wolfgang Jonas, Sarah Zerwas und Kristof von Anshelm, Birkhäuser: 33-42.
(2016) Design und die Sichtbarkeit möglicher Zukünfte. Social Design in Gestalten für die Transformation der Gesellschaft. Claudia Banz, transcript Verlag: 35-42.